Auch wir als AG Flüchtlingshilfe haben uns bereits vor einem Jahr für eine bessere Lebenssituation für Flüchtlinge in Stralsund eingesetzt. Wir haben einen offenen Brief verfasst, worauf es seitens der Stadt Stralsund zu keiner Beantwortung kam. Der Landkreis hatte eine öffentliche Sitzung einberaumt um sich ein Bild von der Lage zu machen. Die meisten Vertreter und Gäste zeigten kaum Interesse an dem Thema. Frau Winter, die zuständige aus dem Amt des Landkreis Vorpommern-Rügen und Frau Mielke (Leiterin der Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende) standen den Mitgliedern der Fraktionen und den Gästen für die Beantwortung von Fragen bereit. Die Fraktion Die Linke, die Fraktion Bündnis 90 Die Grünen und wir als AG Flüchtlingshilfe waren bestens vorbereitet um viele fragen stellen zu können. Genau das gefiel der sitzungsleitung sichtlich und hörbar nicht. Wir haben diese Fragen ausgewertet und werden euch diese beantwortet zur Verfügung stellen damit ihr euch eine Meinung bilden könnt. Auf Grundlage der u.g. Forderungen, der oben erwähnten Fragen und unseren Dokumentationen werden wir einen neuen Fragekatalog entwickeln und diesen wollen wir im Gespräch mit Landrat Ralf Drescher (CDU) beantwortet bekommen. Innerhalb des letzten Jahres hat sich eine landesweite AG gegründet die sich den Lebensbedingungen für Flüchtlinge in ganz Mecklenburg-Vorpommern annehmen möchte. Das unten aufgeführte Forderungspapier ist aus der einjährigen Arbeit der landesweiten AG entstanden.
Positionspapier:
Zwischen April und September 2014 traf sich die „AG Lebenssituationen von Refugees in Mecklenburg Vorpommern“ des zivilgesellschaftlichen Ratschlags der Bündnisse. An der AG waren Refugees aus dem gesamten Bundesland beteiligt sowie Einzelpersonen und Initiativen, die Refugees unterstützen bzw. mit ihnen zusammen arbeiten. Die Forderungen basieren weitgehend auf den Erfahrungen und Schilderungen betrofener Refugees.
Wir fordern die Abschafung aller Flüchtlingsheime in Mecklenburg-Vorpommern. Wir fordern, dass Refugees das Recht bekommen, selbst zu bestimmen, wo und wie sie leben möchten. Wir fordern deshalb die Schafung dezentraler Unterbringungsmöglichkeiten an geeigneten Orten: Die durch Bundes- und Landesgesetze eingeschränkten Lebenssituationen von Refugees müssen bei der Betrachtung der Infrastruktur dieser Orte berücksichtigt werden. So sollen Refugees nur in Orten untergebracht werden, in denen sie Zugang zu Ärzt*innen, sozialen Einrichtungen, Einkaufsmöglichkeiten, Dolmetscher*innen und zum öfentlichen Nahverkehr haben. Insbesondere Sozialämter und Ausländerbehörden müssen so nah sein, dass sie schnell und ohne hohe Kosten erreichbar sind. Städte und Kleinstädte sind bei der Auswahl der Orte zu bevorzugen. Wir fordern die Landesregierung dazu auf, mehr Projekte finanziell unterstützen, die Refugees auf der kommunalen Ebene mit einheimischen Bürger*innen zusammenbringen und der Integration von beiden Seiten dienen. (z.B. Nachbarschaftsprojekte, Frauenprojekte, Fahrradprojekte….)
Grundsätzliche Forderungen:
Dass die Erstaufnahmestelle für Asylbewerber*innen in eine Stadtverlegt wird.
Dass es Ermäßigungen für Refugees in kulturellen und sozialen Einrichtungen gibt, so dass ihnen gesellschaftliche Teilhabe ermöglicht wird.
Dass Behörden ankommende Refugees begrüßen und willkommen heißen.
Dass Refugees Krankenkassenkarten erhalten. Medizinische, psycho- und physiotherapeutische Versorgung muss gewährleistet werden.
Die Finanzierung von Dolmetscher*innen aus Landesmitteln, oder die Bereitstellung finanzieller Mittel, so dass Kommunen die notwendigen Leistungen bereitstellen können.
Dass Sozialämter Gelder für Übersetzungen zweckgebunden ausgegeben müssen, anstatt Kinder und Jugendliche oder ehrenamtliche Unterstützer*innen dafür einzusetzen.
Verpflichtende Fortbildungen zu kultureller, religiöser und geschlechtlicher Diversität für die Polizei und die Erhöhung des Anteils von Polizeibeamt*innen nicht deutscher Herkunft.
Dass Notrufe und Notaufnahmen in Krankenhäusern sprachlich und kulturell auf Personen eingestellt sind, die kein Deutsch sprechen und nicht aus Deutschland kommen.
Die ersatzlose Streichung von Gutscheinen.
Zugang zu Betreungsmöglichkeiten für Kinder und Jugendliche, sowie Ausbildungsmöglichkeiten für Jugendliche, die nicht mehr schulpflichtig sind, unabhängig davon, ob sie selbst oder ihre Eltern sich in einem laufenden Asylverfahren befinden.
Bis zur Abschafung aller Flüchtlingsheime fordern wir außerdem:
Dass die Unterbringung der Menschenwürde entspricht.
Dass auf die physische und psychische Sicherheit von Refugees geachtet wird. Dazu gehört, dass bei der Unterbringung von Refugees die Tatsache anerkannt wird, dass in vielen Orten von Mecklenburg-Vorpommern Nazis und andere Rassist*innen leben. Es ist nicht zumutbar und mitunter lebensgefährlich, dass Refugees in ihrem Alltag permanenter rassistischer Bedrohung ausgesetzt sind. Refugees sollten so untergebracht werden, dass sie keine Nazis oder andere Rassist*innen als Nachbar*innen haben. Entsprechende Beschwerden von Refugees müssen ernst genommen werden. Wir empfehlen dringend, dass Politik und Verwaltung sich in diesen Fragen von LOBBI e.V. beraten lassen.
Dass Refugees in erster Linie in Städten und Kleinstädten untergebracht werden. Da die Lebenssituationen von Refugees sehr eingeschränkt sind, muss es in Orten, in denen sie leben, gesellschaftliche Anbindung und Infrastruktur geben.
Dass in allen Heimen ein Bereitschaftsdienst über 24 Stunden am Tag zur Verfügung steht.
Dass Gemeinschaftsunterkünfte nur dann eingerichtet werden, wenn es möglich ist, dass Refugees selbstbestimmt in getrennten Räumlichkeiten leben.
Dass Refugees ein Mitspracherecht bei allen sie betrefenden Fragen bei ihrer Unterbringung haben. Dies gilt insbesondere z.B. bei der Wohnungs- und Zimmerverteilung, bei der Faktoren wie Religion und
Altersunterschiede bedacht und die Rechte von Frauen, Lesben und Schwulen beachtet werden müssen, so dass sie präventiv vor Gewalt und/oder Diskriminierung geschützt werden.
Dass die Entscheidung über den Träger von Unterkünften auf Grund der fachlichen Expertise von Trägern gefällt wird und nicht nur auf Grund finanzieller Erwägungen. Dazu gehört insbesondere, dass das Personal, das Refugees betreut (egal ob in ‚dezentraler‘ oder ‚Gemeinschaftsunterkunft‘), fachlich qualifiziert, für die Bedürfnisse und Lebenssituationen von Refugees sensibilisiert und mehrsprachig ist.
Dass hygienische und soziale Standards verbindlich festgelegt und bei der Unterbringung eingehalten und überprüft werden und anderen vergleichbaren rechtlichen Standards in Deutschland angeglichen werden. Die Gemeinschaftsunterkunftsverordnung – GUVO M-V vom 6. Juli 2001 wird als nicht angemessen kritisiert, die Verordnung über bauliche Mindestanforderungen für Altenheime, Altenwohnheime und Pflegeheime für Volljährige (Heimmindestbauverordnung – HeimMindBauV) sollte angewandt werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Duschen und Toiletten geschlechtergetrennt, sauber und erreichbar sein müssen und Privatsphäre garantiert wird (siehe HeimMindBauV, §10, 1). Die Räume sollten so geplant und ausgestattet sein, dass Privatsphäre möglich wird (siehe HeimMindBauV, §14, 1).
Dass qualifizierte Deutschkurse ab dem ersten Tag der Ankunft von Refugees angeboten werden, unabhängig von ihrem Status.
Dass mehr Dolmetscher*innen, insbesondere für Arztbesuche und notwendige Amtsgänge zur Verfügung stehen, sowie Dolmetscher*innen / Kulturvermittler*innen für die Kommunikation zwischen Schulen/Kitas und Eltern, Vereinen, etc. Durch die Auswahl von Sprach- und Kulturvermittler*innen muss den Refugees die Möglichkeit gegeben werden, tatsächlich das zu verstehen, was gesprochen wird.
Dass ofzielle Benachrichtigungen von Behörden aller Art (Schule, Sozialamt, Ausländerbehörde, BAMF, etc.) übersetzt werden.
Dass zeitnah überall dort, wo Refugees leben, Klassen eingerichtet werden, in denen Deutsch als Zweitsprache unterrichtet wird (so genannte „Standortschulen“).
Dass mehr Sozialarbeiter*innen zur Betreuung zur Verfügung stehen; mindestens eine Person pro 50 Refugees (in Sammelunterkünften) bzw. eine*n Sozialarbeiter*in für 30 dezentral untergebrachte Refugees.
Dass die lokal ansässige Bevölkerung in Orten, in denen Refugees untergebracht werden, rechtzeitig, umfassend und sensibel und sensibilisierend informiert wird. Zu diesen Informationen sollte auch gehören, präventiv über Strategien von Nazis zu informieren. Zusätzlich muss darauf eingewirkt werden, dass eine zivilgesellschaftliche lokale Willkommenskultur durch die Kommunen ermöglicht, unterstützt und gestärkt wird. Dazu gehört zum Beispiel, dass lokale Runde Tische unter quotierter Beteiligung von weiblichen und männlichen Refugees regelmäßig durchgeführt werden.