Am 6.08. findet in der Volkshochschule Stralsund um 17:30 Uhr eine Ausstellungseröffnung unter dem Titel „Geschlossene Gesellschaft“ und danach ein Film, Vortrag und eine Diskussion zum Thema „Wo und wie leben Flüchtlinge in MV?“ statt.
Sie sind Rechtsanwältin und Bundestagsabgeordnete der SPD. Engagieren Sie sich für Flüchtlinge in Mecklenburg-Vorpommern und auch auf Bundesebene?
Schon bevor ich für die SPD in den Deutschen Bundestag gekommen bin, engagierte ich mich im Rahmen meiner anwaltlichen Tätigkeit für Mandanten, bei denen es um Asyl bzw. Aufenthaltsrechte ging. Aber auch als Bundestagsabgeordnete habe ich vor allem als Mitglied des Petitionsausschusses die Möglichkeit, Asylsuchenden in Einzelfällen zu helfen. In Härtefällen kann der Deutsche Bundestag vermittelnd eingreifen.
Wie und in welchem Ausmaß wird die Asylpolitik im Bundestag behandelt? Gibt es momentan neue Gesetzentwürfe oder Initiativen?
Ein Thema, das immer wieder im Parlament debattiert wird, ist die Tatsache, dass Asylbewerber monatlich nur 220 Euro bekommen. Das liegt deutlich unter der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem SGB II und sichert Asylbewerbern, übrigens auch nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts, kein menschenwürdiges Existenzminimum. Auch die SPD-Bundestagsfraktion hält diese Regelung für stark reformbedürftig.
Dass es auch darüber hinaus Handlungsbedarf gibt, wird immer wieder in parlamentarischen Initiativen thematisiert. Ein Thema ist die Gesundheitsversorgung, zum Beispiel muss Flüchtlingen eine Traumabehandlung zustehen. Auch ein Rechtsanspruch für Kinder auf das Bildungs- und Teilhabepaket ist wichtig. Für mehr Bewegungsfreiheit für Asylsuchende und Geduldete hat die SPD-Fraktion einen Antrag ins Parlament eingebracht, mit dem die Residenzpflicht in Teilen gelockert werden soll. Nicht zuletzt ist für uns ein besonders wichtiges Anliegen, der sogenannten Kettenduldung ein Ende zu bereiten.
Haben oder hatten Sie schon mit Flüchtlingen persönlichen Kontakt? Woher kommen die Flüchtlinge, die in Mecklenburg-Vorpommern ankommen?
Natürlich, viele Flüchtlinge wenden sich mit ihren Anliegen persönlich an mich. Ich habe Flüchtlingsheime in Stralsund und Rostock besucht sowie Volkshochschulkurse für Migranten. Die Asylsuchenden in Mecklenburg-Vorpommern kommen häufig aus dem Irak, dem Kosova, Lybien und Somalia. Deutschlandweit betrachtet stammte im Jahr 2010 die größte Empfängergruppe von Regelleistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz mit 15.200 Personen aus Serbien, gefolgt von 9.400 Personen aus dem Irak und 8.300 Personen aus Afghanistan.
Es wird oft von Neonazis behauptet, dass Flüchtlinge nicht arbeiten wollen. Wie sieht die Wirklichkeit aus, auch aus rechtlicher Sicht?
Diese Behauptung ist Blödsinn und macht mich immer richtig wütend. Die Wirklichkeit ist so, dass es leider gesetzliche Integrationshindernisse gibt, die es den Menschen gar nicht erst ermöglichen, die deutsche Sprache zu lernen und eine Beschäftigung aufnehmen zu können. Generell können Asylsuchende eine Arbeitsgenehmigung erst nach vier Jahren erhalten. Wenn ein Arbeitgeber davor jemanden einstellen möchte, muss er viel Geduld haben, weil es etliche Hürden zu überwinden gilt. Aber es gibt auch viel Hilfe durch bürgerliches Engagement, die hoffen lässt. In Rostock geben zum Beispiel Studenten im Asylbewerberheim Deutschkurse. Dazu hätten viele Flüchtlinge sonst gar keinen Zugang.
Wie beurteilen sie die Unterbringung und Lebensbedingungen von Flüchtlingen in Mecklenburg-Vorpommern, kann man bundesweite Vergleiche ziehen? Und gibt es mittlerweile andere Konzepte als die Unterbringung von Flüchtlingen in Asylbewerberheimen?
Die Ausländerbehörden der verschiedenen Bundesländer haben eine sehr unterschiedliche Praxis. Die Betroffenen müssen zunächst mindestens zwei Jahre in Flüchtlingsheimen leben, bevor sie theoretisch einen Anspruch auf eine eigene Wohnung haben. Und dann auch nur, wenn sie noch im Status der Gestattung sind, das heißt, wenn ihr Asylantrag noch nicht bestandskräftig abgelehnt wurde. Das ist aber eher die Ausnahme, meistens erfolgt eine Ablehnung des Asylantrag relativ zeitnah. Damit ist auch die Möglichkeit einer Unterbringung in einer Wohnung nicht mehr gegeben. Und die Asylbewerberheime selbst lassen in ihrer Ausstattung und Qualität sehr zu wünschen übrig.
Es gab ja vor einigen Monaten einen regelrechten „Aufschrei“ bezüglich der zusätzlichen Unterbringung im Landkreis Vorpommern-Rügen. Was haben sie zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen im Landkreis zu sagen?
Ich finde den sogenannten „Aufschrei“ richtig schlimm. Mecklenburg-Vorpommern ist das Bundesland mit der geringsten Ausländerquote in Deutschland. Einige Flüchtlingsheime sind in den letzten Jahren schon geschlossen worden. Neue Aufnahmemöglichkeiten sollten auch in unserem Bundesland geprüft und eingerichtet werden. Dadurch lernt die Bevölkerung auch, Ängste abzubauen gegenüber anderen Nationalitäten.
Frau Steffen vielen Dank für das Gespräch und die Unterstützung der Aktionstage 2012.